Am 23. April 1780 startete zwischen 3 und 4 Uhr morgens in Heppenheim ein kaiserlicher Postwagen mit dem Ziel Darmstadt. Auf der Landstraße zwischen Bickenbach und Eberstadt wurde diese Kutsche von fünf Räubern überfallen. Der Kutscher konnte einem der Räuber „in das Maul“ schießen, wodurch die restlichen Räuber verschreckt wurden und mit dem Verletzen ohne Beute flohen.
Beschreibung
Der Räuber, welche in der Nacht vom 22ten auf den 23t April auf der Chaussée zwischen Bickenbach und Eberstadt den Postwagen angefallen haben.
Nach dem missglückten Raub halfen die Räuber dem Verwundeten nach Haßloch, von dort aus gelangte er nach Niederrad, wo er allerdings durch den Magistrat der Stadt Frankfurt verhaftet werden konnte.
Zuerst kam er in ein Hospital, wurde jedoch am 25. April 1780 dem Darmstädter Husarenkommando ausgeliefert und nach Darmstadt in das Gefängnis Stockhaus in der Rundeturmstraße gebracht. Erst am 5. Mai 1780 fand mit ärztlicher Genehmigung eine Vernehmung statt. „Er war hartnäckig bemüht, sich mit lauter Lügen durchzuschlagen“ und bereitete dem Kriminalrat „viel vergebliche Müh“. Erst als man ihm versprach ihn zu begnadigen, gestand er den Raub.
Der Räuber hieß Johann Heinrich Wilhelm Gundermann, geboren um 1734 und stammte aus dem Dorf Seck bei Limburg. Gundermann gestand während der Vernehmung über 60 Straftaten, die er in den letzten 20 Jahren begangen hatte. Neben Gundermann konnten noch zwei weitere Beteiligte am missglückten Postkutschenraub festgenommen werden: Johann Tobias Kiefer – genannt Katzof – wurde 1750 in Lohr am Main geboren. Kiefer wurde am 24. Oktober 1780 in Frankfurt festgenommen und am 5. November 1780 von Husaren ebenfalls in das Darmstädter Stockhaus gebracht.
Der dritte festgenommene Räuber war Matthäus Gansert. Gansert wurde ca. 1748 geboren und stammte aus Walldorf. Er wurde im September 1780 wegen Betrügereien in Düsseldorf verhaftet und die Düsseldorfer kurfürstliche Regierung lieferte Gansert den Darmstädtern aus. Abgeholt wurde er am 19. Dezember 1780 von einem Unteroffizier, acht Musketieren und dem Gerichtsknecht. Im Stockhaus wurde Gansert am 13. Januar 1781 eingeliefert.
Katzof wurde während seiner Haft im Stockhaus „kurzgehalten“ (eng gefesselt). Zudem war er von Läusen befallen, wodurch „er sich kaum auf den Beinen halten konnte“. Am 24. Januar 1781 verstarb Katzof. Laut ärztlichem Befundbericht war sein ganzer Körper von Läusen übersäht, die sogar seine Augen befallen („ausgefressen“) haben. Am 26. Januar 1781 wurde sein Leichnam aus Darmstadt weggebracht und unter dem Pfungstädter Galgen beerdigt. Noch heute erinnert dort eine Tafel an Katzof:
Gundermann und Gansert wurde am 14. Juli 1781 der „öffentlich peinliche Prozess“ gemacht. Vom 6. bis 15. Oktober 1781 fanden in Darmstadt öffentliche Vernehmungen statt. Die Anklage lautete: Beleidigung der öffentlichen Sicherheit.
Der Prozess dauerte bis März 1782 und wurden schuldig gesprochen. Der damalige Landgraf Ludwig IX. von Hessen-Darmstadt (geb. 1719, gest. 1790; Landgraf von 1768 bis 1790) entschied, dass Gundermann und Gansert am Ort des Überfalls an Pfählen aufgehängt werden sollten. Am 24. April 1782 – also zwei Jahre nach Begehen der Straftat – begannen die Vorbereitungen der Hinrichtung. Mitgliedern der Darmstädter Regierung begutachtete zusammen mit dem Pfungstädter Zentgrafen Friedrich Karl Christoph Welcker den Tatort, um einen Platz für die Pfähle auszuwählen.
Der Scharfrichter sprach sich gegen die Variante aus, zwei in der Nähe stehende Tannenbäume für das Erhängen der Verbrecher zu verwenden. So wurde entschieden, dass zwei Pfähle mit „tüchtigem Kreuzrost unter der Erde“ errichtet werden. Die Pfähle mussten zudem so lang sein, dass 18 Schuh über 3 Schuh davon unter der Erde waren.
Die beiden Verurteilten wurden am 1. Mai 1782 über die bevorstehende Vollstreckung ihres Urteils informiert, die offizielle Urteilsverkündung fand am 4. Mai 1782 vor dem Darmstädter Rathaus um 6 Uhr morgens statt. Die Darmstädter Schützenkompanie und die Darmstädter Bürgerschaft (Polizei) begleiteten die Verurteilten bis zur Eberstädter Grenze. Danach wurde der Trupp von einigen Hundert Mann der Zent Pfungstadt gegen 7 Uhr übernommen und zum Hinrichtungsort gebracht.
Um 9 Uhr wurden Gundermann und Gansert gehängt. In den Akten aus dem Hessischen Staatsarchiv Darmstadt steht: „Die Exekution wurde durch den Scharfrichter Schönbein ganz gut verrichtet, wie wohlen es anfangs beim Gansert etwas hart gehalten.“
Karl Hechler, Konrektor und Stadtarchivar in Pfungstadt, hat in seinem Artikel „Der Pfungstädter Postraub nach Akte des Gundermann“ (erschienen in sechs Teilen im Pfungstädter Anzeiger zwischen 15. Dezember 1978 bis 19. Januar 1979) den Ort des Überfalls wie folgt beschrieben:
„In unserer Gemarkung, auf der Ostseite der Bickenbacher Landstr., der B3, in der Abteilung 41 der Malcher Tanne, etwa 80 Meter nördlich von der Salzlackschneise, zwischen dieser und der Wiedertäuferschneise, befindet sich noch eine Stelle, von der noch unsere Urgroßväter mit einem gewissen Gruseln sprachen. ‚Am Gundermann‘ heißt sie heute noch bei älteren Leuten im Volksmund …“
„Durch drei Laubbäume hatte man später den Ort, wo der Galgen stand, kenntlich gemacht, die man in dem Tannenwald gepflanzt hatte.“
Einer dieser Laubbäume ist wahrscheinlich diese Buche, die heute noch im Pfungstädter Wald steht: